Als Basis vorab eine kurze Einführung in das Deutsche Bildungssystem: Es gliedert sich in fünf Stufen - die Primarstufe (Grundschule), die Sekundarstufe I (Weiterführende Schulen), die Sekundarstufe II (Gymnasiale Oberstufe und Berufsschulen) gefolgt vom tertiären (Fachhochschulen und Hochschulen) sowie quartären Bereich. Zu letzterem zählen Weiterbildungen.
Es zeigt sich deutlich: Die soziale Herkunft und Voraussetzung beeinflussen unmittelbar die Wahl des Bildungswegs. Insbesondere die Sekundarstufen und den tertiären Bereich. Denn gerade diese Bildungswege werden noch stark vom Elternhaus und der Herkunft beeinflusst. Ein direkter Zusammenhang besteht zum Beispiel in der Wahl der Sekundarstufe II und des tertiären Bereichs. Das zeigt auch eine Sonderauswertung des Pisa-Tests 2015 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Knapp 15 Prozent der deutschen Erwachsenen mit Eltern ohne Abitur erreichen demnach ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Im Durchschnitt der meisten OECD-Länder sind es 21 Prozent. Was das bedeutet? Dass Kinder bzw. Jugendliche tendenziell den gleichen oder einen ähnlichen Bildungsweg einschlagen wie ihre Eltern. Zwar ist die Wahl des Bildungswegs immer individuell und Wertungsfrei zu betrachten, dennoch offenbart diese Beobachtung, dass die soziale Herkunft bereits die Anfänge des Karriereweges mitbeeinflussen. Womit die Chancengleichheit automatisch nicht gegeben ist, da der soziale Aufstieg vom Elternhaus determiniert wird. Ein Problem, dass sich nicht nur in Deutschland beobachten lässt: In nahezu allen Ländern hängt der Bildungserfolg von Heranwachsenden mit ihrer sozioökonomischen Herkunft zusammen.
Ungleiche Chancen bei der Wahl des Bildungsweges enden nicht bei der sozialen Herkunft, auch das Geschlecht wirkt beeinflussend. Denn ein hoher Anteil der Mädchen beschränkt sich auf das enge Spektrum sogenannter "frauentypischer" Ausbildungsberufe wie Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau, Arzthelferin, oder Kinderbetreuung. Diese Berufe kennzeichnend sich meist durch hohes Berufsrisiko, geringe Aufstiegschancen und schlechtere Bezahlung. Jungen dagegen wählen häufiger Ausbildungsberufe, die mehr Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung und besseren Bezahlung bieten und vorwiegend im gewerblich-technischen und wirtschaftlichen Bereich liegen. So etwa Kfz-Mechaniker, Industrieelektroniker, Datenverarbeitungsberufe, kaufmännische Ausbildungsberufe und IT-Berufe. Die gesellschaftliche Rollenverteilung, also die von außen kommenden Erwartungen, beeinflussen bereits frühzeitig die Berufswahl von Kindern und Jugendlichen.
Diese Voraussetzungen verlieren erst im Laufe des Lebens an Bedeutung. Dann, wenn sich Kinder vom Elternhaus lösen, ausziehen und ihre eigenen Werte entwickeln sowie ihren ganz individuellen Platz in der Gesellschaft finden. Und damit ist es noch nicht zu spät, einen anderen Karriereweg einzuschlagen. Denn wie bereits angemerkt, gibt es nicht nur den geradlinigen Bildungsweg, sondern auch noch den quartären Bereich – also die Weiterbildungen. Eine Möglichkeit, sich nachträglich neues Wissen anzueignen, einen Quereinstieg zu schaffen und neue Job-Chancen wahrzunehmen. Kann lebenslanges Lernen im Erwachsenenalter die Chancengleichheit der Bildung im Kindes- und Jugendalter ausgleichen oder sogar neu ausrichten?